„Der Hohe Norden soll ein transatlantisches Projekt sein.“

Am Abend des 17.04.2013 lud die Berliner Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Aufbruch im Hohen Norden – Die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels in der Arktis“ in das Jakob-Kaiser-Haus des Deutschen Bundestages ein. Auf dem Podium saßen der MdB Roderich Kiesewetter, die Botschaftsrätin Sheila Coutts von der kanadischen Botschaft sowie Dr. Joachim Schwarz von der Gesellschaft für Maritime Technik in Hamburg. Moderator war Marcus Mohr vom ADLAS – Magazin für Außen- und Sicherheitspolitik.

Das Panel v.l.n.r. Botschaftsrätin Sheila Coutts, MdB Roderich Kiesewetter, Marcus Mohr, Dr. Joachim Schwarz (Foto: Sören Granzow)

Die Teilnehmer hörten interessiert den Vorträgen der Panelisten zu (Foto: Sören Granzow)

In seinem Einführungsvortrag stellte Dr. Schwarz fest: „Der Klimawandel hat stärker zugeschlagen als wir erwartet haben.“ Nach verschiedenen Prognosen sei in vier bis acht Jahren mit der Eisfreiheit des Arktischen Meeres während der Sommermonate zu rechnen. Unter Umständen wird es dann möglich sein, den Schiffsverkehr direkt über den Nordpol zu führen. Schon jetzt entwickelt sich die Nordostpassage entlang der russischen Küste zu einer immer wichtigeren Route im Seehandel. Der russische Staat ist daher bemüht, die Attraktivität der Passage weiter zu steigern. So soll beispielsweise durch den Bau von zwei neuen Atomeisbrechern auch eine Nutzung in den Wintermonaten sichergestellt werden. Eine weitere Maßnahmen ist die Senkung der Transportgebühren von 25 auf 5 US $ für jede Tonne Fracht. Auch die Europäische Union befasst sich in dem Projekt ACCESS mit der Polarregion. In den vier Themengebieten Eis, Schifffahrt, Fischerei und Offshore-Industrie werden das Potenzial für die EU ausgelotet und Risiken abgewogen. Zur Gefahrenminimierung arbeiten neben der EU auch andere internationale Gremien an Verfahren zur Standardisierung des Schiffsverkehrs und von (Offshore-)Industrieanlagen.

Auf deutscher Seite soll ein von Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Projekt einen weiteren Beitrag zur Sicherheit leisten. Die sogenannte „Eisroutenoptimierung“ ermöglicht mit der Zusammenführung von Satellitendaten und Wettervorhersagen eine präzise Prognose über Eisbewegungen, welche den Schiffen in regelmäßigen Abständen zur Verfügung gestellt werden sollen.

 

Für den Bundestagsabgeordneten Kiesewetter spielten bei der Beschäftigung mit der Arktis vier Aspekte eine wichtige Rolle. Erstens die Verkürzung der Schifffahrtswege, zweitens der ökonomische Sektor in seiner Gesamtheit, drittens ökologische Aspekte und viertens die sicherheitspolitische Komponente. Er betonte, dass die Arktis kein rechtsfreier Raum sei. Konfliktpotenzial kann sich aus seiner Sicht durch ein Aufeinandertreffen von NATO-Staaten und Nicht NATO-Mitgliedern und zwischen GUS und Staaten einer geplanten Freihandelszone zwischen der EU und Amerika entwickeln. Die Gefahr einer Militarisierung der Arktis sei jedoch nicht zu erwarten, eher kann eine stockende Kommunikation zwischen Russland und der NATO neue Probleme aufwerfen. Daher sollen vertrauensbildenden Maßnahmen und die zivile Krisenprävention Priorität beim Umgang der Anrainerstaaten miteinander haben. Er plädierte für eine stärkere Fokussierung der Europäischen Union auf die Polarregion. Im Rahmen einer Überarbeitung der Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 im kommenden Jahr könnte hierfür ein Zeichen gesetzt werden. Zudem könne eine europäische Arktispolitik neue Anreize für eine systematische Zusammenarbeit der EU-Mitglieder setzen. Die Lösung von Problemen, welche den Hohen Norden betreffen, sollten ein transatlantisches Projekt sein, das über die Anrainerstaaten hinausgeht.

 

Botschaftsrätin Sheila Coutts, Leiterin der Wirtschaftsabteilung in der Botschaft von Kanada, antwortete zu Beginn auf die Frage, wem die Nordwestpassage gehört, ganz eindeutig: „Die Nordwestpassage ist kanadisch.“ Auch zählen insgesamt 40 Prozent der Gesamtfläche der Arktis zu Kanada. Für die kanadische Politik stehen neben der Sicherheit, im Sinne von safety, der Wohlstand sowie der Schutz der Lebensweise der indigenen Bevölkerung in der Küstenregion im Vordergrund. Dem Militär kommt in der Arktisstrategie nur eine unterstützende Funktion zu, die Diplomatie und Kooperation genießen in den Beziehungen zu anderen Anrainerstaaten Vorrang. Militärische Risiken sind aus kanadischer Perspektive nicht absehbar. So hat der Arctic Council den Aufbau von gemeinsamen Search and Rescue-Kapazitäten und den verstärkten Schutz der Umwelt vor Verschmutzungen durch die Offshore-Industrie beschlossen. Wie die anderen Penalisten auch, wies aber auch sie darauf hin, dass die Unternehmen im Arktischen Meer nicht ohne Regeln und staatliche Vorgaben agieren.

 

Der Hohe Norden wird zunehmend an Bedeutung gewinnen: aus politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Blickwinkeln. Nicht nur die Anrainerstaaten sind hier von Veränderungen und Problemen betroffen. Nur durch Zusammenarbeit und Diplomatie lassen sich die Handelswege frei halten und effektive Lösungen finden.

 

Wir danken dem Büro Kiesewetter sowie dem VdRBw Berlin für die Bereitstellung des Veranstaltungsraumes und allen Referenten für ihre Teilnahme.