Bericht: Hintergrundgespräch “Dienste in der Demokratie” mit Dr. André Hahn, MdB

Die parlamentarische Kontrolle von Nachrichtendiensten ist in einer Demokratie essenziell - und in Deutschland gibt es hierbei einige Probleme. Das ist zumindest die Ansicht von Dr. André Hahn, MdB in der Fraktion Die Linke, der als stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit für eben diese parlamentarische Kontrolle der Dienste zuständig ist. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Dienste in der Demokratie” traf die BAS Herrn Dr. Hahn am 27. März 2017 zu einem intensiven Hintergrundgespräch im Deutschen Bundestag und lernte dabei zahlreiche neue Aspekte der Geheimdienstkontrolle in Deutschland kennen.

Teilnehmer*innen (© BAS)<br /><br />

Dr. André Hahn (© BAS)<br /><br />

Teilnehmer*innen (© BAS)

Zu unserem Hintergrundgespräch konnten wir mit Dr. Hahn einen der erfahrensten Geheimdienstkontrolleure Deutschlands als Gesprächspartner gewinnen. Im Jahr 1996 wurde er Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages und erklärte uns, wie er sich hier von Beginn an für größere Transparenz bei der Kontrolle des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz eingesetzt hatte - so erhielten die Mitglieder des sächsischen Kontrollgremiums über viele Jahre hinweg bis zu den Enthüllungen in der sogenannten “Sachsensumpf”-Affäre kein einziges Mal Einsicht in irgendwelche Akten oder Vorgänge, sondern nur mündliche Informationen.

 

Ein Problem, das er im Verlauf des Gesprächs immer wieder aufwarf, war die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Diensten und Polizei - so ginge für die Nachrichtendienste oftmals Quellenschutz vor Opferschutz und Strafverfolgung, so dass Straftaten nicht aufgeklärt werden könnten. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch den Einsatz von V-Personen durch die Dienste, der zumeist nur zu geringen Erkenntnissen führe und teilweise sogar helfe, extremistische Organisationen zu finanzieren: So bestand etwa der neonazistische “Thüringer Heimatschutz” in seiner Gründungsphase bisweilen aus mehr V-Personen als “normalen” Mitgliedern. Als positives Beispiel hob Dr. Hahn dagegen die derzeitige Praxis der Thüringer Landesregierung hervor, V-Personen weitgehend abzuschaffen.

 

Im Jahr 2013 wurde Dr. Hahn Mitglied des Bundestages und war als erstes Mitglied der Linksfraktion Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. In seine Zeit im Kontrollgremium fiel mit der Snowden-Affäre eine der kontroversesten Diskussionen über die Rolle von Nachrichtendiensten in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Durch den in Folge dessen etablierten NSA-Untersuchungsausschuss kamen laut Dr. Hahn auch zahlreiche rechtswidrige Praktiken des BND ans Licht, von denen das Parlamentarische Kontrollgremium zuvor nicht erfahren hatte. Generell schätzte er, dass er von 70 bis 80 Prozent von Probleme in den Diensten nicht in dem dafür eigentlich zuständigen Kontrollgremium, sondern über die Medien erfahre. Weiter kritisierte er, dass durch die Snowden-Affäre aufgedeckte rechtswidrige Praktiken des BND wie die Massenüberwachung am Internetknoten DE-CIX durch das neue BND-Gesetz legalisiert wurden, während parlamentarische Kontrollmöglichkeiten erheblich erschwert seien. So durften beispielsweise Mitarbeiter*innen der Dienste keine rechtswidrigen Vorgänge an das Kontrollgremium oder einzelne seiner Mitglieder melden dürfen, ohne gleichzeitig ihren jeweiligen Vorgesetzten zu informieren.

 

In der anschließenden Diskussion wurden noch weitere Punkte angesprochen, etwa die Rolle der deutschen Inlandsgeheimdienste, Geheimdienstkontrolle im internationalen Vergleich und die politische Verantwortlichkeit für rechtswidrige Aktivitäten der Dienste.

 

Dr. Hahns Fazit zum Thema Geheimdienstkontrolle war eindeutig: Parlamentarische Kontrolle kann nur funktionieren, wenn sie möglichst transparent erfolgt.

 

Wir danken Dr. Hahn für seine Zeit und seine spannenden Ausführungen zur Geheimdienstkontrolle und allen Teilnehmer*innen für die engagierte Diskussion.